«Wir sind wie ein Blumenstrauss»
Lukas Spenger war Schüler an der GHG CP-Schule und nutzte die Möglichkeiten ihrer Therapeutischen Wohngruppe. Seit acht Jahren bringt der gelernte Bäcker-Konditor seine Erfahrungen als Betreuer für die Jugendlichen ein, welche heute die Wohngruppe besuchen.
Vor über 20 Jahren war Lukas Spenger das erste Mal in der Therapeutischen Wohngruppe der GHG CP-Schule zu Gast. Der damalige Mittelstufenschüler hatte den Wechsel in die Lehre noch vor sich. Heute arbeitet der 37-Jährige als Betreuer und stellvertretender Leiter Administration in der Wohngruppe. Dazwischen liegen eine abgeschlossene Lehre als Bäcker-Konditor, eine Mehlallergie, eine zweite Lehre als Fachmann Behindertenbetreuung – und einige Hindernisse, die er zu überwinden hatte. Wir haben nachgefragt.

Lukas, du bist ausgebildeter Bäcker-Konditor, aber auch Fachmann Betreuung im Behindertenbereich und arbeitest seit acht Jahren als Betreuer in der Therapeutischen Wohngruppe der GHG CP-Schule. Wie kam es dazu?
Da ich eine Mehlallergie bekam, konnte ich nicht mehr als Bäcker-Konditor arbeiten. Eine Zeit lang arbeitete ich dann als Autoaufbereiter. Doch das Herz fehlte. Mich motiviert es, mit Menschen, vor allem Jugendlichen, zusammenzuarbeiten und sie weiterzubringen.
Ich habe mich deshalb bei verschiedenen Institutionen in diesem Bereich für eine Praktikumsstelle beworben – lief aber überall auf wegen meiner Beeinträchtigung: Man wollte nirgends das Risiko mit «noch einem Behinderten» eingehen. Mein ehemaliger Physiotherapeut, Wohngruppenleiter und heutiger Vorgesetzter, Bernhard Moser, machte es dann möglich, dass ich an der GHG CP-Schule ein Praktikum machen konnte. Danach habe ich die Lehre als FaBe in der therapeutischen Wohngruppe absolviert.
Ich habe sehr viel Freizeit, Blut, Schweiss und Tränen investiert, weil ich Mühe habe mit Lesen und Schreiben. Ich habe Wege gefunden, diese Problematik in den Griff zu bekommen, indem ich mir Computerprogramme angeschafft habe, die mir Dokumente vorlesen und denen ich meine Texte diktieren kann.

Lukas Spengers Weg war anspruchsvoll, doch: «Ich kann gut mitfühlen mit den Jugendlichen. Insbesondere auch, weil ich das selbst auch durchlebt habe mit der Behinderung.»
Wie bist du heute zufrieden mit deiner Arbeit?
Die Stelle hier war eine glückliche Fügung. Ich wollte mit der Ausbildung auch als Mensch gesehen werden, nicht als Behinderter. Dass meine Stärken wahrgenommen werden: ordentlich, gewissenhaft, pünktlich. Das ist hier der Fall. Und meine Schwächen werden im Team aufgefangen. Wir sind ein sehr aufgeschlossenes Team und können auch sehr offen über Stärken, Schwächen und Probleme reden.
Was macht deine Arbeit aus?
Besonders wichtig ist es mir, das Potenzial der Jugendlichen so zu fördern, dass sie es erkennen, nutzen und dadurch selbstständiger werden. Das Ziel unserer Wohngruppe ist stark auf Selbstständigkeit in jeglicher Form ausgerichtet. Wenn eine Jugendliche oder ein Jugendlicher kocht, sind wir die Hilfskräfte. Auch im ÖV-Training stärken wir das Selbstwertgefühl. Ganz nach dem Motto: «Sei du selbst, jemand anderes gibt’s schon.» Hier in der Wohngruppe wird sehr viel gelacht, aber auch ernste oder traurige Themen haben ihren Platz. Wir gehen mit den Jugendlichen durch Hochs und Tiefs, sie durchleben die Pubertät. Wir versuchen immer, neue Ideen und Lösungen zu finden. So merken sie, dass wir sie weiterbringen wollen.
Welche Fähigkeiten und Kompetenzen kannst du besonders gut einbringen?
Ich kann gut mitfühlen mit den Jugendlichen. Insbesondere auch, weil ich das selbst auch durchlebt habe mit der Behinderung. Und beim Kochen schätzen mich die Jugendlichen aufgrund meiner Ausbildung als Bäcker-Konditor. Ab 15.30 Uhr sind wir jeweils zu viert im Team, so können wir die Jugendlichen optimal fördern. Sie bestimmen mit, was sie machen und mit wem. So ist jeder Tag anders, das gefällt mir.
Und was gefällt dir am besten an deiner Arbeit?
Die Jugendlichen zu begleiten und die Verwandlung von einer Haltung des «Ich kann nichts, ich bin nichts» hin zu einem gesunden Selbstwertgefühl zu erleben: Das macht mir am meisten Freude.

Die Jugendlichen auf ihrem Weg zu möglichst viel Selbstständigkeit zu unterstützen, macht Lukas Spenger Freude.
Welches sind die grössten Herausforderungen in deiner Arbeit?
Die Pubertät, in allen Formen. Die damit verbundenen Emotionen. Zudem meine sprachliche Beeinträchtigung: Ich darf mich nicht zu sehr «verkopfen», damit ich nicht zu lange Sätze mache. Und manchmal ist es auch herausfordernd, die Jugendlichen auf ein Ziel hinzuführen, wenn sie selbst noch gar keines sehen.
Was schätzt du am meisten an der Therapeutischen Wohngruppe der GHG CP-Schule und an der GHG, deiner Arbeitgeberin?
Ich schätze vor allem die Kultur des Mit- und Füreinander und die gegenseitige Unterstützung im Team. Wir können jederzeit alles offen besprechen. Wir kommen aus verschiedenen Disziplinen und helfen einander immer gegenseitig. Dasselbe gilt innerhalb der GHG CP-Schule: Wir tauschen uns regelmässig aus, einerseits institutionalisiert bei unseren FTB und IBZ, den «Förderteam-Besprechungen» und «Interdisziplinären Besprechungen der Ziele», anderseits auch spontan bei Bedarf. Und schliesslich schätze ich auch an der GHG insgesamt, dass wir unter den verschiedenen Institutionen so vernetzt zusammenarbeiten können.
Zu guter Letzt: Womit würdest du es einer Kollegin oder einem Kollegen schmackhaft machen, sich für eine Stelle bei euch zu bewerben?
Wir sind in der Therapeutischen Wohngruppe wie ein Blumenstrauss, jede und jeder hat seinen Platz zum Wachsen, das gibt ein grosses Ganzes. Darin können alle ihre Stärken und Schwächen ausleben. Auch die Schwächen werden mitgetragen, wenn man sie offen kommuniziert. Wir sind unterschiedlichste Charaktere, arbeiten aber eng und gut als Team zusammen.